
Titel: Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen | Autor*in: Gebrüder Grimm
Ein Vater hatte zwei Söhne, davon war der älteste klug und gescheidt, und wusste sich in alles wohl zu schicken, der jüngste aber war dumm, konnte nichts begreifen und lernen: und wenn ihn die Leute sahen, sprachen sie „mit dem wird der Vater noch seine Last haben!“

„Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“ ist ein recht bekanntes Märchen, welches schon in so mancher verharmlosenden Variante in das ein oder andere Kindermärchenbuch gewandert ist. Für mich definitiv einer meiner Lieblingsmärchenfilme, allerdings sollte man nicht den Fehler machen, diese eher harmlose Variante für das Original zu halten. Dieses ist … relativ speziell, um es mal diplomatisch auszudrücken.


In dem Buch geht es um den jüngsten Sohn einer Familie, der so dumm ist, dass er irgendwie nichts hinbekommt. Weder schafft er es, einen Beruf zu lernen, noch etwas anderes aus sich zu machen. Nicht einmal zu Furcht scheint er in der Lage zu sein. Der Vater ist schon am Verzweifeln und so freut er sich, als der Kirchenwart ihm anbietet, seinem Sohn das Fürchten zu lernen. Immerhin besteht ja noch die Chance, dass endlich der Knoten platzt. Nur leider endet das Ganze nicht ganz so, wie es soll. Denn bei dem Versuch, dem Jungen Angst einzujagen, wird der Kirchenwart die Leiter hinuntergestoßen und bricht sich ein Bein. Dass unser Mister Furchtlos dabei im Grunde an dem am Boden liegenden, stöhnenden Kerl einfach vorbeigelaufen ist, um anschließend ins Bett zu gehen, finde ich auf mehr als nur eine Weise bedenklich.
Es kommt, wie es kommen musste. Der Vater jagt seinen Sohn davon und dieser trifft nach und nach auf sehr unterschiedliche Menschen, die ihm jeder für sich anbieten, ihm das Fürchten zu lehren. Als Erstes trifft er auf einen Mann, welcher ihm rät, die Nacht unter dem Galgenbaum zu verbringen, in dessen Äste die Toten hängen. Unser Bursche ist natürlich gleich begeistert, macht ein nettes Feuerchen und friert dennoch. Und wie er da so sitzt, denkt er sich, dass die Gehenkten dort oben bestimmt auch ziemlich frieren. Weil solche Gedanken schließlich komplett normal sind bei geistig absolut gesunden Menschen. Kurzerhand holt er sie herunter und setzte sie ums Feuer, wo die Flammen allerdings recht schnell auf ihre verbliebenen Kleider übergreifen. Und da sie trotz Ermahnung nicht hören wollen, hängt er sie zurück in den Baum.
Frühstens hier kommt einem langsam der Gedanke, dass sein Vater und Bruder wohl froh sein können, den Kerl losgeworden zu sein. Ich meinte, das ist doch schon ne Vorstufe zum Serienmörder…
Ein Wirt schickt ihn schließlich zum König, welcher demjenigen, der drei Nächte in einem verfluchten Schloss verbringt, und so einen uralten Fluch bricht, die Hand seiner Tochter verspricht. Was haben diese ganzen Könige eigentlich immer damit, ihre Töchter als Preis vorzuhalten? Sind die verarmt? Was ist aus dem guten, alten Gold geworden? Oder hassen die Könige ihre Töchter in Wahrheit einfach? Mal ganz davon abgesehen, dass man solch einem Trottel vielleicht nicht unbedingt ein Königreich anvertrauen sollte. Aber wer weiß, vielleicht ist der König ja auch irre.
Direkt in der ersten Nacht tauchen zwei riesige, schwarze Katzen auf und werden von ihm eingeladen, sich am Feuer zu wärmen. Nachdem die Tiere sich aufgewärmt haben, fragen sie, ob sie nicht zusammen eine Runde Kartenspielen wollen. Daraufhin packt der Junge sie, schraubt ihre Pfoten an seiner Schnitzbank fest, haut sie tot und wirft sie in den Fluss. Also ganz ehrlich. Mal davon abgesehen, dass ich auch hier wieder sehr deutliche Serienmörder-Flaggen sehe, haben die Katzen ihm nichts getan. Er hätte auch einfach nein sagen können.
In der zweiten Nacht taucht eine Gruppe Zombies auf und lädt ihn zum Kegeln mit Knochen und Totenschädeln ein. Und weil unser Junge ja nett und hilfsbereit ist, nimmt er erstmal die Schädel und macht sie an seiner Drehbank rund. Dann haben die echt viel Spaß zusammen und er geht irgendwann müde schlafen. Erinnern wir uns doch mal kurz an die beiden armen Katzen, die einfach nur Kartenspielen wollten und daraufhin totgeschlagen wurden. Also entweder mag der Kerl einfach keine Tiere oder hat eine gewisse Vorliebe für Leichen. Immerhin war er ja auch richtig nett zu den Gehängten im Baum. Darf man das schon Nekrophilie nennen?

In der dritten Nacht tauchen sechs Männer mit einem Sarg auf, in welchem eine Leiche liegt. Unser Junge erkennt seinen Vetter wieder und merkt, dass dem Armen ziemlich kalt ist und legt sich mit ihm ins Bett, um ihn zu wärmen. Ich sage ja, total normal … mich interessiert gerade fast, wie das Märchen in der kindgerechten Variante aussieht? Ich meine, kann man so viel Leichenbegrabeln streichen? Als sein Vetter ihn daraufhin aber wenig dankbar erwürgen will, ist unser Junge doch etwas erbost, stopft ihn zurück in den Sarg und schickt ihn fort. Am Ende kam noch eine Art Pseudoriese, der sich recht einfach übertölpeln ließ… Muskeln statt Hirn eben, wobei das im Angesicht unserer Helden-Intiligensbestie schon etwas peinlich ist… und unserem Jungen so einige Reichtümer überlässt. Damit ist auch der dritte Tag überstanden, der Fluch gebrochen und auch die Hochzeitsglocken läuten bald. Nur leider hat er das Gruseln noch immer nicht gelernt. Und weil seiner Frau dieses ständige Gejammer langsam auf die Nerven ging, half sie mit ihrer Dienerin etwas nach und goss eines Nachts einen Eimer kaltes Wasser mit kleinen Fischen über ihn aus. Und weil er nun einmal ein Idiot ist, war er danach überzeugt, dass das hier das besagte Gruseln ist.
Und wenn sie nicht gestorben sind, kuschelt der Bengel vermutlich noch heute mehr oder weniger heimlich mit einer Leiche.
