Titel:H wie Habicht englischer Titel: H is for Hawk Sprache: Deutsch Autor:Helen Macdonald Verlag: Allegria Genre: Biografie/ Belletristik ISBN: 978-3-7934-2298-4 Preis: 20,00 $ (D) Hardcover Seiten: 388 empfohlenes Alter: ab 16 Jahren Erschienen: 7. August 2015 Leseprobe
Die Suche nach einem Habicht ist wie die Suche nach Gnade: Sie wird einem gewährt, aber nicht oft, und man weiß nie, wann und wie.
Schon als Kind beschloss Helen Macdonald, Falknerin zu werden. Sie eignete sich das komplizierte Fachvokabular an, mit dem sich die Falkner wie in einer Geheimsprache untereinander verständigen, und las die Klassiker der Falknereiliteratur. Ihr Vater unterstützte sie in dieser ungewöhnlichen Leidenschaft, er lehrte sie Geduld und Selbstvertrauen und blieb eine wichtige Bezugsperson in ihrem Leben. Als ihr Vater stirbt, setzt sich ein Gedanke in Helens Kopf fest: Sie muss ihren eigenen Habicht abrichten. Sie ersteht einen der beeindruckenden Vögel, ein Habichtweibchen, das sie auf den Namen Mabel tauft, und begibt sich auf die abenteuerliche Reise, das wildeste aller wilden Tiere zu zähmen.
Einfach und doch ein Hingucker. Das zumindest dachte ich, als ich das Buch betrachtete. Vermutlich liegt dies schon alleine am Habicht. Dieser Blick schon alleine. Man fühlt sich betrachtet. Abgeschätzt. Beim Titel schwanke ich ja immer noch, ob das H für Habicht oder für Helen steht, denn diese identifiziert sich ja im Verlauf des Buches immer mehr mit dem Habicht.
Das englische sieht gleich aus.
Erster Satz – Fünfunvierzig Autominuten nordöstlich von Cambrige beginnt eine Landschaft, die mir im Laufe der Zeit sehr ans Herz gewachsen ist.
Schon seit Helen denken kann, liebt sie Greifvögel. Ihr großer Traum war es immer, Falknerin zu werden. Wie gut das sie in ihrem Vater, immer einen Unterstützer gefunden hatte.
Nun ist er nicht mehr da und sein Tod reißt Helen zu Boden. Nichts scheint mehr da zu sein, außer Trauer und Schmerz. Und zwischen all diesen Gefühlen immer und immer wieder Träume von stolzen Greifvögeln. Von Habichten.
„Ich war der Menschheit gerade erst entkommen“, schrieb White, „und der arme Habicht war ihr gerade erst ins Netz gegangen.“
Nun hat sie Mabel an ihrer Seite. Ein so wildes, scheues als auch unerwartet sanftmütiges Habichtweibchen. Und während Helen sich bemüht Mabel zu zähmen, wird sie mit jedem Tag selbst immer mehr zu Habicht. Lernt durch die Augen dieses Tieres zu blicken und findet in dieser so stolzen, freien und wunderschönen Kreatur, den Trost, den sie braucht.
Hier an dieser Stelle zu sagen, dass ich nicht weiß, wie der Schreibstil ist, mag vielleicht seltsam klingen, doch es ist so. Denn in diesem Buch vermischt sich so viel, das ich nicht einmal direkt einen Vergleich bringen kann. Denn das Buch ist Roman, Biografie, Sachbuch und Trauerbegleiter in einem. Es ist sprachlich eine Delikatesse, die sicherlich nicht jedem schmecken wird. Verziert mit poetischen Feinheiten, Abgründen, unheimlich viel Tiefe und Sanftmut.
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Großteils geht es in dem Buch um die Autorin des Buches, Helen. Der Tod ihres Vaters trifft sie hart und wirft sie komplett aus der Bahn. Auf der Suche nach etwas, das sie nicht so recht benennen kann, kauft sie den Habicht Mabel. Man spürt, wie dieser Vogel ihr hilft, sie gleichzeitig aber auch verändert. Es ist eine berührende Art von Symbiose, die eigentlich doch keine ist.
Eine Elster fliegt wie eine Bratpfanne.
Aber auch der Schriftsteller White wird in diesem Buch behandelt. Fast schon als nebenher laufende Biografie, neben der Biografie. Man erfährt viel über sein Buch und seinen eigenen Habicht Gos. Und welche Rolle dieses Buch in Helens Kindheit, wie auch derzeitiges Leben spielte. Anfangs war das ein wenig verwirrend, da gerade White einen sehr vielschichtigen Charakter besaß. Und je nachdem aus welcher Seite man ihn betrachtete, jedesmal war er anders.
Dieses Buch wird von Buchhändlern und Literaturliebhabern in zig unterschiedliche Kategorien unterteilt. Eine Tatsache, die mich wirklich verwundert hat. Ein Krimi ist immer ein Krimi, oder eben mit ein wenig Thriller, aber doch einer Genre zuzuordnen. Ein Jugendbuch ist ein Jugendbuch. Wie also kann hier ein Roman zwischen so vielen völlig grundverschiedenen Genres stehen? Nun habe ich das Buch beendet und muss sagen, ich weiß, nicht wo ich es persönlich einsortieren würde. Es enthält von Belletristik bis zur Psychologie alles. Ich bin also wirklich mal überfragt. Auch mit der Bewertung hänge ich etwas in der Luft. Gut gefallen haben mir – hier wäre wieder ein Genre mehr – die Sachbuchelemente, welche einfach mit einflossen und dem Leser so das Falknervokabular näher brachten. So war abtragen = zähmen, Schmelz = Vogelkot. Alles diese Feinheiten wurden einmal erklärt. Dann verwendet und man nahm es einfach mit. Auch die kleinen und großen Eigenarten der Vögel. Dann der biografische Teil von White und Helen. Während mir Helen in ihrer Trauer Leidtat, konnte ich White, genauso wie Helen es ergangen war, nicht wirklich greifen. Sein Greifvogel Gos hingegen war für mich immer sehr präsent und stand für mich auch für Whites ganzes Scheitern, sowie für den Wunsch nach Freiheit. Er tat mir leid. Dann der psychologische Teil, in der Trauer und Verdränung ganz anders behandelt wurde, als wir es sonst so kennen.
Dieses Buch ist wie eine exquisite Delikatesse aus einem fremden Land, in dem Aromen zusammenkommen, die nicht zu passen scheinen und doch auf der Zunge zergehen. Oft kann man gewisse Passagen nicht erklären. Aber man kann sie fühlen! Für mich ein ganz besonderes Buch!
Nach Langem überlegen gebe ich diesem Buch 5 von 6 möglichen Krümeltörtchen. Der kleine Abzug begründet sich auf den großen Teil den White und Gos in dem Buch eingenommen haben. Denn obwohl ich ihre Passagen ebenfalls interessant fand, ging mir Helen dabei phasenweise zu sehr unter.