
Titel: Der wunderliche Spielmann | Autor*in: Gebrüder Grimm
Es war einmal ein wunderlicher Spielmann, der ging durch einen Wald mutterselig allein und dachte hin und her, und als für seine Gedanken nichts mehr übrig war, sprach er zu sich selbst „mir wird hier im Walde Zeit und Weile lang, ich will einen guten Gesellen herbeiholen.“

„Der wunderliche Spielmann“ ist wieder einmal ein eher unbekanntes Märchen. Und wir hatten ja inzwischen schon das ein oder andere recht grenzwertige , aber die „Moral“ von diesem ist nochmal ein ganz besonderer Aufreger. Kein Wunder also, dass auch dieses Mädchen sich eher nicht in die Kindersammlungen verirrt.


Alles beginnt mit einem Spielmann, der seinen Weg durch den Wald geht und dem dabei, verständlicherweise langweilig wird. Und weil ihm so langweilig ist, wünscht er sich einen Gefährten und fängt an zu spielen, um so jemanden anzulocken. Kurz darauf taucht auch der erste Gast auf. Ein Wolf, welcher so verzaubert von seinem Spiel ist, dass er den Spielmann bittet, ihm das Fiedeln beizubringen. Der Spielmann stimmt zu, nimmt das Tier zu einem Baum und klemmt ihm die Pfoten dort mit Steinen ein. Dann geht er seines Weges.
Hier schon mal, was für ein Arsch ist das bitte? Der Wolf hatte keinerlei böse Absichten und versprach sogar auf ihn zu hören, wie der Schüler auf den Meister hört, und nur weil dem Kerl diese Gesellschaft nicht gefällt, kann er das Tier doch nicht irgendwo festbinden und verhungern lassen!
Wenig später ist ihm wieder langweilig und er spielt . Diesmal erscheint ein Fuchs. Ebenfalls mit dem Wunsch, doch das Fiedeln zu lernen. Wieder stimmt der Spielmann zu und lässt wenig später den Fuchs, mit an jungen Bäumen gebundenen Pfoten zurück, um weiterzugehen. Dass das Tier dort ebenfalls elendig verhungern würde, kümmert unseren „edlen Helden“ kein Stück. Was für eine Vorbildfunktion! Nicht!!
Beim nächsten Versuch, sich Gesellschaft zu besorgen, hört ein Hase seine Musik und tritt mit dem gleichen Wunsch an den Spielmann heran. Aber einen Hasen will er halt auch nicht haben. Also bindet er ihm ein Seil um den Hals, das andere Ende um einen Baum und heißt den Hasen 20-mal um den Baum zu hüpfen, nur so könne er immerhin das Fiedlen lernen. Als er es getan hat, ist auch der Hase gefangen und auch ihn lässt der Spielmann herzlos zurück.
Warum gibt es eigentlich derart viele Psychopathen in Märchen? Habt ihr euch diese Frage schon mal gestellt?
Beim nächsten Versuch hört ihn endlich ein Mensch und der Spielmann freut sich, denn genau solch einen Gefährten hat er sich gewünscht! Und auch der Holzfäller ist wie verzaubert von der Musik. Unterdessen hat sich aber der Wolf befreit und ist , selbstverständlich, ziemlich sauer und will Rache. Unterwegs trifft er auf Fuchs und Hase, und befreit diese ebenfalls. Zusammen wollen sie sich rächen. Doch als sie den Spielmann endlich finden, stellt sich der Holzfäller in den Weg und vertreibt die Tiere. Der Spielmann spielt seinem „Retter“ noch ein Lied zum Dank und zieht dann weiter.
ENDE
Was soll das heißen, ENDE!!?? Das kann es doch nicht sein! Der Kerl ist ein verdammter Tierquäler, dem scheinbar alles egal ist und die Freundlichkeit und Bewunderung von Wolf, Fuchs und Hase ausnutzt und sie im Grunde zum Sterben zurücklässt. Und dann bekommen die drei nicht einmal ihre Rache, sondern der Kerl darf einfach weiterziehen. Was ist das denn für eine Moral? Tu Schlechtes, aber wenn du begabt bist oder einen guten Anwalt hast, geht das schon klar? Ja, danke, tolle Moral!
Nebenher wird der Edelmut der Tiere, die im Grunde sogar ihren Rivalen (Fuchs) und ihr Abendessen (Hase) befreien und gemeinsam sich gegen das Böse, was ihnen widerfahren ist, behaupten wollen, kaum beachtet. Ich hätte es wirklich gefeiert, wenn sie den Spielmann einfach gekillt oder ebenfalls irgendwo festgesetzt hätten. Er hätte es verdient!!
(Ich glaube, das Lesen von Märchen ist nicht gut für meinen Blutdruck. 😂)

Huhu Ruby,
wir haben ja schon mal kurz über dieses Märchen gesprochen und ich verstehe allmählich, warum sich manche Geschichten auf dem Markt nicht durchgesetzt haben.
Und ja, ich verstehe deine Aufregung :o)
Eine Moral sehe ich in dem Märchen auch nicht. Mich würde wirklich interessieren, was die Autoren sich einst bei dem Märchen gedacht haben. Was wollten sie damit aussagen? Was wollten sie bewirken? Wollten sie den Leser einfach nur mal richtig aufrühren? Oder wollten sie einfach eine Diskussionsgrundlage für lange Abende aufwerfen, bei denen sich die Leser so richtig schön in Wallung reden können? Vielleicht :o)
Ich danke dir für diesen interessanten Einblick.
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)