Mein Leben, mal eben: Just me

Titel: Mein Leben, mal eben: Just me | Autor*in: Nikola Huppertz |
Genre: Jugendbuch | Verlag: ‎ Coppenrath| Erscheinungsdatum: 12.1.2017 |
Seitenzahl: 256 Seiten | Preis: 9,99 Euro E-Book

Anouk will ihr Leben ändern: Ab sofort wird sie NORMAL, hört Popmusik und spielt Computerspiele. Während sie darauf wartet, dass ihr Steinzeit-Laptop das blöde Game lädt, hämmert sie voller Wut und Witz ihre »Memoiren« in die Tastatur: Über MaMi und Matrix, ihre Mütter; über ihren Rocker-Vater; und über Lore, die neu in der Klasse ist. Außerdem soll Anouk einen Songtext für Moritz schreiben, der aber leider auch dieses Unnormal-Gen hat …

Dieses Buch kam ein paar Jahre zu früh.

„Hat MaMi mich denn trotzdem lieb?“ habe ich gefragt. „Auch wenn sie nicht richtig gildet?“
„Natürlich hat MaMi dich lieb. Und sie gilt, das kannst du mir glauben!“
Ich habe meinen Rotz an Matrix´Ärmel abgewischt, und plötzlich ist dieser leicht stinkige Orchideenduft in meine Nase gestiegen, von dem man fast so glücklich wird wie von Zitronenmilchreis.
„Genauso lieb wie jemand, der einen Penis hat?“
„Und ob“, hatte Matrix´gesagt. „Ich möchte sogar bezweifeln, dass irgendein Mensch, nur weil er einen Penis hat, ein Kind dermaßen . . . also, sagen wir mal: Sie hat sich noch lieber als genauso lieb. Und Mutter-Mutter-Kind geht hervorragend.“

Okay, ich bin beim Zitat etwas eskaliert, aber ich fand diesen kleinen Teil einer Unterhaltung so großartig, dass ich ihn euch nicht vorenthalten wollte. Und das war nicht die einzige Perle in diesem Buch. Sie ist voll davon. Voller kluger Gedanken, ernster Fragen und den Gefühlen eines jungen Mädchens, die immer etwas schief angeguckt wird, weil sie eben zwei tolle Mütter hat, statt nur einer. Und keinen Vater. Zumindest keinen »richtigen« nur einen »Sammenspender« der mit ihr auf verrückte Konzerte geht und Zitronenmilchreis isst.

Schade

Dieses Buch kam zu früh. Es ging unter zwischen den wenigen mit gleichgesinntem Thema oder wurde schlicht und ergreifend keinem an die Hand gegeben. Die Gründe mögen dafür unterschiedlich sein, aber wenn ich mir manchmal Unterhaltungen in der Buchhandlung, gerade im Jugendbuchbereich, anhöre, wo Eltern schon einen Koller bekommen, wenn es eben keine komplette Familie in dem beschriebenen Buch gibt und OMG! Dann gibt es auch noch Probleme. Stöhn! Ne, da wundert es mich nicht, dass es so wenig Aufmerksamkeit bekommen hat. Dabei hat es sich diese Perle mehr als nur ein wenig verdient.

Gedanken, Gedanken, Gedanken

Anouk ist ein unglaublich süßes Mädchen, welches sich zum Start des neuen Schuljahres fest vornimmt, normal zu sein. Sie wird die Dinge tun, die ihre Klassenkameraden tun. Das bedeutet weg von Metall und hin zu Pop, weg von ihren geliebten Büchern und hin zu dem neusten Computerspiel.
Einglieder.
Nicht auffallen.
Normal sein.
Aber »normal« besitzt keine Definition und je mehr Anouk versucht sich in eine Rolle zu zwingen, die ihr nicht passt, desto mehr eckt sie damit an. Dazu kommen die schrägen Blicke und das böse Getuschel ihrer Klassenkameraden. Dabei ist es für sie total normal, zwei Mütter zu haben. Auch wenn die beiden manchmal gerne an ihren Nerven zehren. Und zwischen kleinen und großen Dramen lernt Anouk langsam, dass sie sich weder für ihre Familie schämen-, noch sich für wirkliche Freunde verstellen muss.

In den Arm nehmen.

Trotz des Tagebuch-Stils kamen Anouks Gefühle wahnsinnig nah an mich ran. Ich wollte das Mädchen in den Arm nehmen, mit ihr lachen und einfach ihren tollen Charakter genießen. Ihre frische Art, sich mit Wörtern die Welt zu erobern fand ich großartig. Dabei werden auch immer wieder Dinge angesprochen, bei denen viel zwischen den Seiten steht. So eine Szene, die sie rückblickend aus dem Kindergarten erzählt. Hier geben die Kinder ungefiltert die Meinungen ihrer Eltern wieder und meinen Anouk sagen zu müssen, dass ihre Familie, so wie sie ist, nicht gilt. Solche Worte kommen nicht von Kindern. Sie schnappen sie auf und plappern sie weiter, ohne eine Ahnung zu haben, was sie damit vielleicht anrichten. So nimmt dieses Buch auch die Erwachsenen in die Verantwortung. Denn wenn sie keine Offenheit vorleben, woher sollen es dann ihre Kinder nehmen?

Damals, mit fünf, sechs Jahren, hab ich keine Sekunde darüber nachgedacht […] über MaMi und die Sache, dass sie meine Mutter ist, obwohl ich nicht in ihrem Bauch war […], und dass all das überhaupt eine Rolle spielt, wenn nur das Liebhaben stimmt.

Dieses Buch besitzt einen Charme der mich selbst jetzt noch an die klugen, wahren Worte der kleinen Anouk zurückdenken lassen. Ihre offene Art sich mit dem was sie tagtäglich erlebt hat auseinanderzusetzen und gleichzeitig den Leser an ihren Gefühlen teilzuhaben hat mich direkt abgeholt. Es ist ein Buch, das nicht nur Kinder lesen können, sondern auch Erwachsene finden zwischen den Seiten immer wieder zwischen den Zeilen verborgene Hinweise darauf, dass eben nicht alles nur von den Kindern alleine kommt. Nein, oft genug sind es auch die Erwachsenen, die mal einen guten Schritt weg von ihren starren Ansichten tun sollten.

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Auch besprochen bei: Live Breath Words

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Tanja von Der Duft von Büchern und Kaffee
1 Jahr zuvor

Hallo liebe Ruby,
du stellst hier ein Buch mit einem Thema vor, das mich sehr anspricht. Bei dem Wort Familie denken alle immer gleich an Vater, Mutter, Kind und vielleicht noch Hund. Das ist die Idealvorstellung. Ein Gesetz, das man befolgen sollte, um glücklich zu werden. Dabei kann das Wort Familie für so viele andere Varianten stehen.

Ich fand es sehr traurig zu lesen, dass sich Anouk so verändert hat, um einfach nur dazuzugehören. Leider ist dieses Verhalten wohl sehr realistisch dargestellt. Ich denke, dass viele Menschen Dinge tun, damit sie eben nicht auffallen, damit sie dazugehören können.

Wobei ich zugeben muss, dass ich beim Lesen des Klappentextes noch dachte: Okay … ist diese Art von Leben denn so „normal“? Was bedeutet denn normal? Kann es nicht auch normal sein, wenn man Festivals besucht und Metall hört? Wenn man Bücher liest und Pen & Paper-Rollenspiele spielt? Hm… Sei’s drum. Dein Buch klingt auf jeden Fall nach einer Geschichte, die man gelesen haben sollte. Ich danke dir für den schönen Buchtipp.

Empfehlen kann ich dir, wenn du diese Geschichte mochtest, übrigens auch „Bunte Fische überall“ aus dem Mixtvision-Verlag. Das Buch erzählt aus dem Leben eines Mädchens, das mit zwei Vätern aufwächst. Dieses Thema wird beiläufig eingeflochten. Darüber hinaus gibt es einige sehr humorvolle Stellen. Denn die Protagonistin bekommt in der Schule ein Projekt, bei dem es darum geht, sich um eine Babypuppe zu kümmern. Die Kinder sollen frühzeitig darauf vorbereitet werden, was es bedeutet ein Kind zu bekommen. Dieses Leben mit der Babypuppe stellt die Kinder vor allerhand Herausforderungen. Ich habe so viel gelacht. Ich glaube, das könnte auch ein Buch für dich sein.

Ganz liebe Grüße
Tanja :o)

Tanja von Der Duft von Büchern und Kaffee
Reply to  Rubynia
1 Jahr zuvor

Hallo liebe Ruby,
ich bin sehr gespannt, was deine Kollegin zu dem Buch sagen wird. Lass es mich wissen :o) Es steht schon auf der Wunschliste :o)

Na, ich will mal nicht spoilern. Aber ich kann so viel sagen: Einige Kinder nehmen das Thema sehr ernst und gerade das führt zu einigen humorvollen Szenen :o))))))

Ich bin ganz bei dir: So ein Projekt kann helfen zu reflektieren. Ein Kind fordert Aufmerksamkeit rund um die Uhr und ist eben nicht nur da, wenn man Lust drauf hat. Und es gibt eben auch Probleme über die man sich im Vorfeld bewusst sein sollte.

Ganz liebe Grüße
Tanja :o)

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