
Titel: Der treue Johannes | Autor*in: Gebrüder Grimm
Es war einmal ein alter König, der war krank und dachte „es wird wohl das Todtenbett sein, auf dem ich liege.“

Der treue Johannes ist eine eher unbekannte Geschichte der Gebrüder Grimm und auch keines, das sich in den typischen Kindersammlungen findet. Verständlich, wenn man bedenkt, dass man Entführung und Stockholmsyndrom vermutlich eher weniger gut romantisch verpacken kann.


Alles beginnt mit dem Tod des Königs. Dieser nimmt seinem treusten Diener Johannes das Versprechen ab, seinem Sohn genauso treu zu dienen. Dafür soll er ihm unter anderem das ganze Schloss zeigen. Alles, bis auf einen Raum, in dem ein Bild einer Prinzessin eingeschlossen ist, die so wunderschön ist, dass der König wusste, dass sein Sohn sich sofort in sie verlieben würde und das großes Unglück brachte. Johannes versprach es, der König starb und wie das eben so ist, ist der junge König so stur und will eben doch unbedingt in diesen einen Raum, in den er nicht darf. Kaum sieht er das Bild, fällt er vor lauter Liebe in Ohnmacht und beschließt, er muss sie haben.
Wie ungesund der Gedanke ist, behalten wir mal im Hinterkopf.
Johannes weiß auch Rat, denn da die Prinzessin Gold liebt, lässt er von den besten Handwerkern viele Dinge aus Gold anfertigen und auf ein Schiff bringen. Nun verkleiden sich beide als Kaufleute und als die Prinzessin, verlockt von dem Gold, sich auf das Schiff begibt, um sich alles anzuschauen – weil Prinzessinnen eben immer alleine und ohne jegliche Leibwache unterwegs sind – gibt Johannes den Seeleuten den Befehl abzulegen.
Ja wir haben es hier mit einer klassischen Entführung zu tun. Wie, ihr dachtet Johannes wäre der Gute? Der Held? Wann genau wurde das behauptet?
Als die Prinzessin erkennt, was passiert ist, ist sie untröstlich. Doch der junge König sagt ihr im Grunde, dass er sie ja nur aus echter Liebe entführt hat. Ja, weil das macht es wirklich besser. Die Prinzessin ist daraufhin so gerührt, dass sie zustimmt, ihn zu heiraten.
Was soll sie denn bitte sonst tun? Da wirst du von einer Gruppe Psychopathen entführt, der eine schwört dir seine unbändige Liebe, die sitzt mitten auf dem Meer fest. Was soll sie denn da bitte sagen? Also, am besten etwas, das nicht mit ihrem Tod endet. Und da Psychos nicht reflektieren und ihm anscheinend auch ziemlich egal ist, das die Eltern der Kleinen wohl gerade ausflippen, freut er sich einfach über ihre Antwort.
Die ganze Aktion bleibt aber nicht ganz folgenlos, auf der jungen „Liebe“ liegt ein Fluch. Denn Johannes hört drei Raben dabei zu – ja, Fremdsprachen sind sooo wichtig! – wie sie sich darüber unterhalten, dass dem jungen Glück drei schlimme Dinge passieren und wenn niemand sie davor bewahrt, sie sterben. Hans beschließt daraufhin, seinen Herrn zu retten, auch wenn er dabei sterben könnte. Heroisch würde ich sagen, leider ist Johannes seit der Entführungsgeschichte einfach bei mir unten durch.
Zu Hause angekommen, taucht schon das erste Unglück in Gestalt eines schönen fuchsroten Pferdes auf. Noch ehe der König aufsteigen und verunglücken konnte, sprang Johannes selbst auf und erschoss das Tier. Im Schloss angekommen warf er das Brauthemd, welches den König in Brand gesteckt hätte, eilig ins Feuer und rettete wenig später der jungen Königin das Leben. Da er jedoch nie darüber sprechen durfte, ohne sofort zu Stein zu erstarren, befahl der König am Ende, Johannes wegen seines seltsamen Verhaltens zu hängen. Weil er selbst ja auch immer komplett korrekt und alles war. Klar!
Am Galgen erzählte Johannes den Grund für sein Handeln und erstarrte zu Stein, noch während der König zur Begnadigung rief.
Jahre später, die Königin hatte inzwischen Zwillinge geboren, vernahm der König die Stimme von Johannes. Ist bestimmt super gesund und normal. Er könnte ihn wieder entsteinern, wenn er seinen beiden Kindern den Kopf abschlug und ihn mit dem Blut einrieb. Und weil der König das für komplett normal und fair hielt, tat er wie gefordert. Immerhin schuldete er es Johannes ja nach all dem, was er so geopfert hatte.
Ich glaube, alle in diesem Schloss sind einfach nur wahnsinnig geworden! Da war einfach gar kein Zögern! Ist das so eine Religionssache? Wie: Opfer mir deine Kinder, um deinen Glauben zu beweisen? Was stimmt mit den Leuten nicht? Irgendwo gibt es Grenzen für Dankbarkeit.
Johannes wird wieder lebendig, dankt dem König, setzt den toten Kindern die Köpfe wieder auf und sie springen und lachen, als wäre nichts gewesen. Und weil es so schön ist, erzählt er später seiner Frau davon und freut sich darüber, dass sie die gleiche Entscheidung getroffen hätte. Immerhin waren sie es Johannes ja schuldig …

Hallo liebe Ruby,
wie du ja weißt, bin ich seit Ever & After richtig neugierig geworden auf klassische Märchen. Aber irgendwie fehlt mir die Zeit sie zu lesen und umso mehr freue ich mich über deine Beitragssparte, die kurz und knapp einen Einblick in Klassiker gibt, die nicht allzu bekannt sind. Diese Geschichte ist wirklich … krass. Spannend zu verfolgen, weil eben so verrückt geschrieben. Aber auch irgendwie nur zum Kopfschütteln und zum Staunen. Heftig. Ich danke dir für diesen Einblick :o)
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)
Huhu Tanja,
ich sag es dir. Inzwischen glaube ich das in Märchenbücher mehr Psychos hausen, als in so manchem Krim. XD
Tintengrüße von der Ruby