Laufen

Titel:Laufen Sprache: Deutsch Autor:Isabel Bogdan Verlag: KiWi Genre: Roman ISBN: 978-3-462-05349-4 Preis: 20,00 $ (D) Hardcover Seiten: 208 empfohlenes Alter: ab 17 Jahren Erschienen: 12. September 2019 Leseprobe  

Alles, was ich über das Laufen weiß , ist, dass man gleichmäßig atmen soll, doppelt so viele Schritte ausatmen wie ein, ich atme zwei Schritte ein und vier aus ein ein aus aus aus aus, ich sollte meine Schritte zählen, statt über Metahphern nachzudenken, atmen, einfach atmen, sagt Rike, immer weiteratmen, als wäre das so einfach, sag mal einem Ertrinkenden, er soll atmen, aber sie hat natürlich recht, wieso muss sie denn immer recht haben, das macht es doch auch nicht besser. 

Eine Frau läuft. Schnell wird klar, dass es nicht nur um ein gesünderes oder gar leichteres Leben geht. Durch ihre Augen und ihre mäandernden Gedanken erfährt der Leser nach und nach, warum das Laufen ein existenzielles Bedürfnis für sie ist. Wie wird man mit einem Verlust fertig? Welche Rolle spielen Freunde und Familie? Welche Rolle spielt die Zeit? Und der Beruf? Schritt für Schritt erobert sich die Erzählerin die Souveränität über ihr Leben zurück.

  Das Cover ist sehr einfach gehalten und irgendwie gefällt es mir. Ein lautes oder schrilles Cover hätte einfach nicht gepasst. Genauso wenig wie Schuhe. Ich glaube bei Schuhen auf dem Cover hätte ich gestreikt. Denn auch wenn es ums laufen geht, geht die Geschichte einfach viel tiefer als das man sie hätte auf ein paar Schuhe runterbrechen können.

Erster Satz – Ich kann nicht mehr.

Beim Laufen muss sie an nichts mehr denken. Nur noch daran, was gerade am meisten Wehtut. Beine oder doch das Atmen? Daran denken ob sie noch kann. Aber nicht mehr zurück an all diesen Schmerz, der seitdem er sich umgebracht hat in ihr tobte. Doch wo sie anfangs vergessen sucht, beginnt die Protagonistin sich langsam doch mit dem Tod und den Folgen auseinanderzusetzen. Sie beginnt sich selbst zu reflektieren und zu verzeihen. Und Schritt für Schritt geht sie auf ein neues Leben zu. Einem Leben, das nicht mit vergessen beginnt, aber mit Akzeptanz.

Der Stil ist wieder einfach nur toll. Schon im Pfau flog man geradezu durch die Seiten. Man merkt einfach das sprachliche Gefühl dahinter. Dabei hat die Autorin in diesem Buch nochmal ein paar ganz neue Tricks aufgefahren. Durch die Art sehr lange Sätze mit vielen – und ich meine hier wirklich vielen – Kommas zu setzen wirkt es fast atemlos. Bedenkt man das die Protagonistin – die hat übrigens keinen Namen – die ganze Zeit beim Laufen ist, passt es aber perfekt. Man fuchst sich schnell in den Stil rein und ja, ich fiel erstmal in ein tiefes Loch. Es geht um Depression, Selbstmord und die Gedanken einer zurückgebliebenen.
Schwere Kost.


In gedanklichen Rückblicken baut nach und nach ein Bild der Situation. Man lernt Charaktere wegen ihres Verhaltens lieben und hassen. Man fällt in ein Loch und kommt stärker wieder heraus. Ich nahm viel mit aus diesem Buch, auch wenn es mich emotional sehr aufgewühlt hat.
Das ist übrigens auch einer der Grüne, warum diesmal der Blick auf die Charakter fehlt. Nicht nur, weil sie keinen Namen hat. Ich finde einfach, dass man sich recht schnell mit ihr identifiziert. Die Grenzen verschwimmen zwischen einem selbst und ihr. Sie werden fließend. Und das macht eine große Stärke dieses Buches aus.

Ein ungewöhnlicher Stil. Ein schweres Thema. Keine leichte Kost und doch konnte ich nicht aufhören zu lesen. Man sollte aber, denke ich, auch in der richtigen Stimmung dafür sein.  Wenn man eh schon down ist, sollte man ruhig was anderes lesen. Außer man hat Lust nur noch in der Ecke zu liegen. *lacht* Aber vielleicht bin ich da auch einfach etwas sensibel.
Alles in allem ist Laufen ein großartiges Buch, das man aufgrund seiner geringen Seitenzahl nun wirklich nicht unterschätzen sollte. Mit einer sehr starken Sprache lockt die Autorin in ein auf und ab der Gefühle. Ein großartiges Werk aber sicher nicht für jeden.

„Laufen“ hat mir selbst viel Spaß gemacht, auch wenn ich zwischendrin mal eine Pause brauchte.

6 von 6 möglichen Krümeltötchen für ein Buch mit vielen, vielen Besonderheiten.

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